21.10.2020
Der Kampf für bedrohte Persönlichkeitsrechte beginnt mit dem drängenden Bauchgefühl, sich für den Schutz von jemandem oder den eigenen Schutz einzusetzen, sagt Tea Gorjanc Prelević von Aktion für Menschenrechte (Human Rights Action, HRA) während sie den Workshop zur Kapazitätsbildung von Roma und Ägypter (RE) Nichtregierungsorganisationen in Montenegro eröffnete.
Danilo Ćurčić, Experte aus Serbien für den Schutz von Menschenrechten, und besonders den Schutz von Minoritäten, fügte hinzu, dass es neben dem Bauchgefühl das Wissen braucht, wie und wo zu protestieren ist und welches die Anlaufstellen für Unterstützung und Schutz sind.
Den zweitägigen Workshop haben Help und die Roma Nichtregierungsorganisation ‚Geh mit uns – Phiren Amenca‘ mit Unterstützung der Aktion für Menschenrechte organisiert. Aktivisten von Roma Nichtregierungsorganisationen hatten die Gelegenheit, Erfahrungen und konkrete Beispiele von anderen Organisationen und Gruppen zu hören, die sich mit dem Schutz von Menschrechten befassen, ihre eigenen Erfahrungen aus ihrer vorangegangenen Arbeit zu schildern und zu erfahren, wie sie in Zukunft erfolgreicher für konkrete Ziele einstehen können.
Als Erfolgsbeispiel im Kampf gegen die Diskriminierung der RE Bevölkerung in Montenegro wurde das Engagement der Nichtregierungsorganisationen und die Lobbyarbeit bei internationalen Institutionen im Fall der Vertreibung und des knapp verhinderten Lynchmordes unter den Roma Familien in Božova Glavica in der Nähe von Danilovgrad genannt.
Wir erinnern uns, dass die Vertreibung der Roma stattfand, nachdem hunderte Bewohner aus Danilovgrad in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1995 auf einen Rachefeldzug zogen. Ein minderjähriges Mädchen war angeblich von einem minderjährigen Roma Jungen aus der Siedlung Božova Glavica vergewaltigt worden. Es lebten 74 Roma in der Siedlung, ungefähr die Hälfte davon Kinder. Die Siedlung wurde zerstört und niedergebrannt, aber die Roma konnten fliehen. Die Polizei hatte zur Flucht aufgefordert, da sie die Roma nicht schützen könne.
Einer der Teilnehmer unseres Workshops war damals ein vierjähriges Kind und sagte, dass er sich immer noch an die Nacht erinnere, und daran, wie die Einwohner die Roma daran hindern wollten, den Bus an der Busstation zu besteigen. Wie auch immer, acht Jahre später, 2003, hat das UN-Komitee gegen Folter entschieden, dass der Staat Montenegro eine Kompensation von sechs Millionen Euro an die 65 Roma zu bezahle habe, die auf unmenschliche und demütigende Weise aus ihren Häusern in Božova Glavica vertrieben wurden.
Es wurden mehrere andere bekannte Fälle aus der Region diskutiert, von denen einige vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg endeten und zugunsten der Bürger, deren Rechte verletzt wurden, positiv entschieden wurden. Einer der Fälle ist in der Region weithin bekannt, es handelt sich um das “Sejdić Finci-Urteil” aus Bosnien und Herzegowina (BiH), das bis heute nicht in die Praxis umgesetzt wurde.
Namentlich Dervo Sejdić und Jakob Finci, Bürger von Bosnien und Herzegowina der Roma und der jüdischen Ethnie, übergaben ihre Klage gegen den Staat Bosnien und Herzegowina an den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, weil das Dayton-Abkommen (das Abkommen, das den Krieg in Bosnien und Herzegowina beendete und das auch als Verfassung von Bosnien und Herzegowina dient) die Erfüllung eines der Grundrechte der Roma – für lokale und staatliche Ämter im Land zu kandidieren – nicht zulässt oder dieses Recht verletzt. Nach dem Dayton-Abkommen wird das Recht auf Kandidatur nur Bürgern aus den drei konstituierenden Bevölkerungen, nämlich Bosniaken, Serben und Kroaten, garantiert. Das Gericht in Straßburg entschied zu Gunsten von Dervo Sejdić und Jakob Finci. Die Umsetzung des Urteils ist eine der Schlüsselbedingungen für die europäische Integration von Bosnien und Herzegowina, eine ‚par excellence‘ und noch nicht gelöste politische Frage, obgleich Bosnien und Herzegowina vor den Wahlen am 15. November 2020 steht.
Ausbilder Danilo Ćurčić betonte, wie wichtig es ist alle Prozesse und nationalen und internationalen Institutionen zu kennen, die für den Schutz der Menschenrechte zuständig sind. Aber Ćurčić führte auch aus, dass das Ziel der Lobbyarbeit durch Kommunikation mit der Gemeinschaft, in diesem Fall mit der RE Gemeinschaft, genau bestimmt werden müsse, bevor weitere Maßnahmen ergriffen werden.
Bei der Festlegung des Ziels sei die gleichberechtigte Vertretung der Ansichten und Meinungen aller Mitglieder der Gemeinschaft zu berücksichtigen, wie zum Beispiel die Ansichten von Frauen, Kindern, und nicht nur die der Repräsentanten der Gemeinschaft; dann sei festzulegen, wie man für die Rechte kämpft – mit rechtlichen Mitteln, einer Medienkampagne, der Suche nach Unterstützung durch internationale Menschenrechtsinstitutionen, unter Berufung auf in der Praxis angewandte Konventionen und Standards; aber man solle auch darauf achten, der Gemeinschaft bei der Erreichung bestimmter Ziele nicht mehr Schaden als Nutzen zuzufügen.
Am zweiten Tag (21.10.2020) wurde im praktischen Teil des Workshops mit Unterstützung des Trainers eine völlig neue Advocacy-Kampagne für den besseren Schutz der Rechte von Roma und Ägyptern in Montenegro entworfen.
Der Workshop wurde im Rahmen des Projekts Zivilgesellschaft in Aktion zur Förderung und zum Schutz der Rechte der Roma und Ägypter in Montenegro organisiert, das Help in Zusammenarbeit mit der Roma-Jugendorganisation ‚Geh mit uns – Phiren Amenca‘ durchführt und das von der Europäischen Union über das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) finanziert wird.
Im Folgenden vermitteln wir die Atmosphäre des Workshops, der im Hotel Voco in Podgorica stattfand: