:: PROJEKT
Mon – 19 Ausbau öffentlicher Infrastruktur (Kanalisation in Zagoric)
:: FINANZIERT VON
Deutsches Ministerium für wirtschaffliche Zusammenarbeit und Entwicklung
:: PROJEKTLAUFZEIT / BUDGET
Juni bis Dezember 2002 :: € 730.000
:: BESCHREIBUNG
Nach der Ablösung des Regimes von Slobodan Milosevic in Belgrad im Oktober 2000 und der Installierung einer neuen demokratisch legitimierten Regierung von Serbien im Januar 2001 blieb – neben der Kosovofrage – die Frage nach der Zukunft des gemeinsamen Staatsverbandes von Serbien und Montenegro offen. Unter Vermittlung des EU Beauftragten Javier Solana haben die Regierungen Serbiens und Montenegros im März 2002 ein Abkommen zur Gestaltung der künftigen völkerrechtlichen Beziehungen abgeschlossen, das die Beibehaltung eines gemeinsamen Staates Serbien und Montenegro beinhaltet. Die Klärung des politischen Status ist auch für die wirtschaftliche Entwicklung in Montenegro bedeutend. Ende Januar 2003 haben schliesslich die Parlamente von Serbien und Montenegro die Verfassung des neuen Gemeinschaftsstaates von Serbien und Montenegro ratifiziert.
Noch immer ist die Wirtschaft des Landes von enormen Problemen belastet. Durch den Druck der zurückgekehrten Kosovo-Albaner sahen sich viele Serben, Montenegriner und Roma gezwungen, das Kosovo zu verlassen und nach Montenegro zu ziehen. Ausser den 14.418 bosnischen und kroatischen Flüchtlingen halten sich weitere 29.400 Personen, die aus dem Kosovo geflohen sind, in Montenegro auf.
Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist eine Rückkehr der aus dem Kosovo vertriebenen Personen nicht zu bewerkstelligen. Deshalb bemühen sich insbesondere die vertriebenen serbischen und montenegrinischen Bevölkerungsteile, sich in die Gesellschaft Montenegros zu integrieren. Die montenegrinische Regierung geht davon aus, dass die meisten Vertriebenen wie auch die Flüchtlinge aus den Kriegen in Kroatien sowie Bosnien und Herzegovina im Lande verbleiben werden. Der Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen nach Montenegro und insbesondere nach Podgorica, wo sich die meisten Zugezogenen höhere Chancen für den Aufbau einer neuen Existenz erhoffen, überfordert die öffentlichen Dienste und Möglichkeiten der Stadt.
Viele der Vertriebenen wurden von Verwandten oder Freunden aufgenommen und leben nun in deren Häusern auf äusserst beschränkten Raum mit diesen zusammen. Andere haben begonnen, mit den mitgebrachten Ersparnissen, sich eine Unterkunft zu bauen. In der Regel, reichten die Ersparnisse aus, einen oder maximal zwei Räume aufzubauen. Die meisten dieser Baufragmente sind nicht isoliert und haben keine Böden. Sanitäre Installationen fehlen völlig, Wasser- und elektrische Installationen sind nicht vorhanden. Insbesondere in Podgorica, das über 12.250 Flüchtlinge (2.900) und Vertriebene (9.350) beherbergt, sind die Zustände in den Aussenbezirken Zagoric-Zlatica katastrophal und stellen eine permanente Gesundheits- und Umweltgefährdung dar. Die Zufahrtswege zu diesem Ortsteil, in dem neben der einheimischen Bevölkerung ca. 700 Flüchtlinge und 1.100 Vertriebene leben (Gesamtbevölkerung geschätzt auf 15.000 Personen), versinken im Schlamm sobald auch nur ein kleiner Regenguss niedergeht. Das Wohngebiet verfügt weder über ein Abwassersystem noch ist es an die sonstigen öffentlichen Einrichtungen angeschlossen. Insbesondere die fehlenden sanitären Einrichtungen sind eine Gefahr für die Gesundheit der Bewohner. Desweiteren stellen die Sickergruben für die Fäkalien eine permanente und gravierende Bedrohung für die Trinkwasserversorgung von etwa 30% der Bewohner von Podgorica dar, da sich der betreffende Stadtteil in unmittelbarer Nähe zu einem der Wasserreservoirs befindet, aus dem das städtische Versorgungsnetz gespeist wird. Die häufig schlecht gebauten Sickergruben, die zudem sehr oft nicht rechtzeitig geleert werden und insbesondere die bei vielen Behausungen noch immer fehlenden Sickergruben stellen eine ständige Bedrohung des Grundwassers dar.
Die Lebensbedingungen in dem von den Flüchtlingen und Vertriebenen bewohnten Stadtteil sind extrem schlecht und können nur als erbärmlich bezeichnet werden, da inadequate sanitäre Installationen, schlechte Hygiene und verunreinigte Wasserversorgungsquellen eine ständige Bedrohung darstellen für ein Leben in Würde und Sicherheit vor Krankheiten..
Mit dem Bau des Abwasserkanals sollen langfristig die Lebensbedingungen der Bewohner der Wohnviertel Zagoric und Zlatica in Podgorica, darunter etwa 1.100 Inlandsvertriebene (aus dem Kosovo) und 700 Flüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina, verbessert werden. Insgesamt sollen ca. 15.000 Einwohner dieser und angrenzender Wohnbezirke ihre Abwässer durch den Anschluss an die Kanalisation auf adäquate Weise entsorgen. Darüber hinaus profitieren ca. 30 Prozent der Bewohner Podgoricas (Einwohnerzahl Podgorica ca. 170.000 ), deren Wasserversorgung aus dem Wasserreservoir in Zagoric gespeist wird vom Bau des Hauptabwasserkanals, da dadurch die dauerhafte Sicherung des Grundwasserreservoirs erfolgt.
Konkret werden die nachfolgend aufgeführten Ergebnisse angestrebt:
1. Bau des Hauptabwasserkanals (3.1 km) für das Wohngebiet Zagoric-Zlatica
2. die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Unterkünfte von Vertriebenen und Flüchtlingen (sowie anderer sozial benachteitligter Menschen) an das Kanalisationsnetz von Podgorica angebunden werden können
3. die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass diese Unterkünfte legalisiert werden und damit eine dauerhafte Lösung des Wohnproblems dieser Menschen zu erreichen
4. die Trinkwasserversorgung von 30 % der Einwohner von Podgorica (geschätzte Gesamteinwohnerzahl: ca. 170.000) dauerhaft zu sichern.
Der Bau des Hauptabwasserkanals ist Voraussetzung für die weitere Entwicklung der beiden Wohngebiete. Insbesondere werden durch den Bau des Abwasserkanals die Bedingungen geschaffen, einen Grossteil der Behausungen von Flüchtlingen und Vertriebenen zu legalisieren. Dadurch eröffnen sich für diese während der Kriege der vergangenen Jahre entwurzelten Menschen dauerhafte und rechtlich abgesicherte Lebensverhältnisse.
Stadt Podgorica
Mit ca. 1/3 aller Einwohner ist Podgorica ist die grösste Stadt des Landes. Ebenfalls etwa ein Drittel aller Flüchtlinge und Vertriebenen des Landes haben sich hier niedergelassen. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist von einer akuten Knappheit geprägt. Sichtbarstes Zeichen hierfür ist die grosse Anzahl von Häusern, die ohne Baugenehmigung auf städtischem Land errichtet wurden (ca. 14.000 – 17.000), in denen ein Gutteil der Flüchtlinge und Vertriebenen leben. Private Häuser wie auch öffentliche Gebäude haben stark unter dem jahrelangen Mangel an Unterhaltsmassnahmen und Verfall gelitten. In der Stadt lebt ebenfalls eine grosse Anzahl von Roma – überwiegend in erbärmlichen Lebensumständen. Um den Druck auf den Wohnungsmarkt etwas abzumildern, hat die Stadt Podgorica, unterstützt von der internationalen Gemeinschaft (insbesondere das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen und der Schweizerischen Agentur für Entwicklung und Zusammenarbeit) temporäre (und einige dauerhafte) Unterkünfte für Flüchtlinge, Vertriebene, Roma und andere benachteiligte Gruppen bereitgestellt. Für den gehobenen Wohnungsmarkt erstellen private Personen und Firmen Apartmenthäuser zum Kauf oder Miete für Personen der mittleren und gehobenen Einkommensklassen.
Feasibility Studie
Parallel zum Bau der Kanalisation in den beiden Wohngebieten führte HELP in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Podgorica, eine Feasibility Studie durch, die zum Ziel hatte, auf der Basis der Legalisierung der (meisten) bestehenden Wohngebäude in Zagoric und Zlatica einen integrierten Entwicklungsplan für diese Wohngebiete zu entwicklen. Dieser Plan soll die Grundlage bilden für die Normalisierung der Lebensverhältnisse der Bewohner durch die Schaffung weiterer öffentlicher Infrastruktur (Strassen, Schulen, Gesundheitseinrichtungen etc.).
Diese feasibility Studie wurde im Oktober 2002 fertiggestellt. Sie wurde von der Gemeinde Podgorica finanziert, was angesichts der angespannten finanziellen Situation in Montenegro insgesamt wie auch seiner Hauptsstadt Podgorica ein starker Beleg ist für die Bedeutung, die die Gemeinde dieser Massnahme zumisst. Die besondere Bedeutung ergibt sich aus der Tatsache, dass es in Podgorica ca. 6.000 Menschen gibt, die sich ohne legale Basis niedergelassen haben und ca. 20.000 Gebäude, die für die es keine oder nur teilweise Baugenehmigungen gibt.
Die Stadtteile Zagoric und Zlatica mit ca. 1.000 illegalen Siedlern wurde als Pilotgebiet ausgewählt für die Lösung der illegalen Siedlungsbauten in der Stadt. Auf dem für die Entwicklung ausgewählten Teilstück von insgesamt 64 Hektar Land wohnen 680 illegale Siedlerfamilien. Das Planungsbüro der Stadt Podgorica hat einen Parzellierungsplan erarbeitet, der kleinere Parzellen für ärmere Bewohner und grössere Parzellen für Wohlhabendere ausweist.
Die Bedingungen für eine Legalisierung der Wohnverhältnisse für die Ärmeren sind sehr vorteilhaft mit langjährigen Pachtverträgen für das Grundstück und reduzierten städtischen Gebühren. Denjenigen unter den sozial Schwächeren, die sich einen Wohnbaukredit leisten können, sollen die Grundstücke zu vorteilhaften Preisen zum Kauf angeboten werden. Auch sie werden von reduzierten städtischen Gebühren profitieren können. Wohnbaukredite sollen auch bereitgestellt werden, um die bislang nur teilweise fertiggesteltlen Häuser vollenden zu können.
Wohlhabendere Siedler und Spekulanten müssen die tatsächlichen Kosten für Land und Gebäude bezahlen. Für Grundstücke mit mehr als 300 m2 wurde ein Preis von € 62/m2 festgelegt und für Gebäude mit mehr als 200 m2 eine Gebühr von ebenfalls € 62/m2.
Durch die rationalere Parzellierungsstruktur des Parzellierungsplanes konnten 364 zusätzliche Baugrundstücke für individuelle und Doppelhausbebauung ausgewiesen werden: dabei handelt es sich um 305 Grundstücke mit 551 Wohneinheiten und 59 kleinere Grundstücke mit 105 Wohneinheiten. Die letztgenannten sollen in Reihenhausbauweise vor allem den wirtschaftlich schwächer Gestellten sowie Flüchtlingen und Vertriebenen zur Verfügung gestellt werden.
150 der genannten 305 Grundstücke, die grösser sind als 300 m2, sollen versteigert werden und komerzielle Preise erzielen. Die verbleibenden 214 Grundstücke wird die Gemeinde sozial Schwachen, Flüchtlingen und Vertriebenen zu den oben angeführten Konditionen anbieten. An vier verschiedenen Stellen wurden 58 Grundstücke ausgewählt für den Bau von Reihenhäusern oder Apartmentgebäuden; diese könnten z.B. von Nichtregierungsorganisationen oder Wohnbaugesellschaften erstellt werden und besonders günstig vermietet werden.
Zur Umsetzung des Legalisierungsprogrammes muss der Generalplan von Podgorica sowie der Raumordnungsplan der Gemeinde reformiert werden. Darüberhinaus sind zur Gewährleistung der städtischen Dienstleistungen in Zagoric und Zlatica Investionen in die gesamtstädtische Infrastruktur erforderlich.
Stabilitätspakt für Südosteuropa
Die Regierung von Montenegro wie auch die Gemeinde Podgorica hatten sich im Dezember 2001 an den Stabilitätspakt für Südosteuropa gewendet mit der Bitte um Unterstützung in dieser Angelegenheit. Herr Scepanovic, der Flüchtlingskommissar Montenegros, stellte am 7.Dezember 2001 in Brüssel einem Expertenteam des Stabilitätspaktes für Wohnungsbau und Wiederaufbau den Projektplan für den Bau des Abwasserkanals vor. Der Geschäftsführer des Lenkungsausschusses der regionalen Flüchtlingsrückkehrerinitiative des Stabilitätspaktes, Herr Kilian Kleinschmidt, befürwortete ausdrücklich diese Massnahme und hatte sich in Gesprächen mit Vertretern der deutschen Bundesregierung für eine finanzielle Unterstützung dieses Projketes eingesetzt. Der Stabilitätspakt hat seine Unterstützung für die Identifizierung weiterer Geber für Gesamtentwicklung der beiden Wohngebiete zugesagt. Der ungedeckte Bedarf an angemessenem Wohnraum wurde von der Regionalen Rückkehrerinitiative des Stabilitätspaktes für Südosteuropa (RRI) als eines der grössten Hindernisse identifiziert für die Umsetzung dauerhafter Lösungen der Vertriebenen und Flüchtlinge in Südosteuropa. Die Lösung dieses Problems ist jedoch eine Vorbedingung für Stabilität in der Region. Aus diesem Grund begleitet der Stabilitätspakt die geplanten Massnahmen in Podgorica mit ausgesprochen starkem Interesse und verwendet sich für die zügige Umsetzung des Gesamtplanes.
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
Im Mai 2002 hat der BMZ den Antrag von HELP bewilligt, den Bau des Hauptabwasserkanals zu finanzieren. Mit der Aufnahme der Bauarbeiten Ende Juni 2002 sind die ersten konkreten Schritte erfolgt für die Normalisierung der Lebensbedingungen der vom Schicksal hart betroffenen Flüchtlinge und Vertriebenen und für die geordnete Entwicklung dieser bislang von rechtlicher Unsicherheit betroffenen Wohngebiete.
Mit dieser Massnahme unterstützt die deutsche Bundesregierung ein kleines Land, das unter den Folgen der Kriege auf dem Balkan leidet und grosse Anstrengungen unternimmt, die Lebensbedingungen seiner Bewohner zu normalisieren. Sie unterstützt damit aber auch ein Projekt, das nach Ansicht des Stabilitätspaktes exemplarisch werden könnte für die Lösung wohnungsrelevanter Fragen im Zusammenhang mit dem Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen.